Cyberia - Die Dunkle Stadt - Behind the Scenes

Geplantes Ableben

Nachdem die grundlegende Story feststand, mußte nur noch eine saubere „Übergangsmöglichkeit“ geschaffen werden. Wie bereits erwähnt, hatten mehrere Mitspieler und Spielleiter bereits überlegt, wie sie Trance aus dem Weg räumen könnten, und ein Spieler, der einen verdeckten Sith spielte, hatte bereits in mehreren Kurzgeschichten (!) darüber philosophiert, wie schön es wäre, Trance entweder zur Dunklen Seite zu bekehren oder zumindest ihre Essenz beim Tod einzufangen und zu versklaven.

Um eine derartige Aktion zu verhindern, die meinen ganzen Plan vereiteln konnte, musste der Tod von Trance an einem besonderen Ort stattfinden, von wo die Caretaker es besonders einfach haben würden, ihren Geist abzuberufen, während besagter Sith erst einmal keinen Verdacht schöpfen sollte, bis sie außerhalb seiner Reichweite war.

Zudem musste der Tod glaubhaft wirken und weder die Charaktere, noch die Spieler durften den geringsten Verdacht schöpfen, daß Trance etwas anderes als tatsächlich und vollständig tot war.

Also verlagerte ich den Endkampf gegen Meister Cyrus in die Kugel, wo er für seinen wahren Körper einen Übergang zwischen den Dimensionen schaffen würde. Das würde es auch den Caretakern erleichtern, Trance abzuberufen. Durch das Artefakt „Herz der Finsternis“ hatten wir gleichzeitig die benötigte Anhebung des Powerlevels für alle Anwesenden, was nicht nur den anderen Spielern ein paar Vorteile bringen sollte, sondern es auch glaubhaft machte, daß Trance somit genügend Kraft für die Geistverbindungstechnik hatte, was es ihr erlaubte, so viele Wesen zu bündeln und ihre Freunde zu retten, die dann den eigentlichen Schaden am Dunklen Lord verursachen konnten (der weiße Strahl war lediglich erzählerische Deko, die Spielerschadenspunkte waren das, was ich gezählt hatte).

Nach dieser Tortur schien es glaubhaft, daß Trance ausgebrannt war, doch irgendwie musste ich dafür sorgen, daß sie ihren Körper mitnehmen würden, damit es später eine Rückkehr geben konnte. Denn die Regeln von Dungeon World besagten, daß es ganz schlecht für den Abberufenen wäre, wenn sein Originalkörper zerstört werden würde, weil es dann kein Gefäß mehr gäbe, in das sein Geist zurückkehren könnte. Glücklicherweise hatte mir Mia direkt in die Hände gespielt, die ihre Freundin nicht einfach so zurücklassen, sondern eine Rettungsmöglichkeit suchen wollte und daher die anderen Helden dazu brachte, den Körper mitzunehmen. Ebenfalls durch den Trubel kam der Sith erst außerhalb der Kugel dazu, dezent nachzuspüren, ob da noch ein Funken Leben in ihrem Körper war, den man hätte aufsaugen können, was zu diesem Zeitpunkt natürlich längst nicht mehr der Fall war. Mission erfüllt.

Dann mussten es die Helden nur noch zur Shuttlerampe schaffen, einsteigen und losfliegen. An Bord des Flaggschiffs wurde dann „bedauerlicherweise“ nur noch der Tod von Trance festgestellt. Ein zweites Mal spielten mir die Spieler in die Hände, als sie entschieden, den Körper von Trance einäschern zu lassen. Da die Ärzte mittlerweile festgestellt hatten, daß mit diesem Körper irgendetwas nicht so ganz stimmen konnte, war es dann ein Leichtes, den Helden die Asche eines anderen Gefallenen unterzujubeln und den Originalkörper sicher zu verwahren, bis zu dem Zeitpunkt, wo die eigentliche Kampagne starten würde.

Pläne und Änderungen

Die Spieler waren erst einmal zufrieden bis schockiert, daß ich Trance tatsächlich hatte sterben lassen, und von einem Spieler abgesehen, wurde das Finale auch sehr gut aufgenommen und als würdiger Abschluß der Dark Trooper Kampagne angesehen. Zwar machte ich durchaus einige Andeutungen, daß ich gegen später in dem Jahr noch eine Storyline weiterspielen wollte, doch Details nannte ich keine, um mich nicht zu verraten und die Events erst einmal sacken zu lassen.

Stattdessen konzentrierte ich mich als nächstes auf die offenen Enden im Dark Aftermath, spielte mal wieder ein anderes System, was ebenfalls gut ankam, und versuchte, mich etwas zu erholen. Dann kam der erwähnte Spieler nochmal auf mich zu und machte mich für meine Art der Spielleitung (noch nicht mal direkt wegen des Finales, sondern generell) derart nieder, daß ich verletzt und frustriert war. Dazu kamen unschöne Themen und viel Stress auf Arbeit, sowie die Nachricht vom Tod von Chester Bennington, und obendrein noch unschöne Szenen mit ein paar anderen „Freunden“, die sich dann doch als das Gegenteil entpuppten, wo es mir schlecht ging.

Ich hatte ursprünglich vorgehabt, um diese Zeit herum direkt mit Mia und einigen anderen eng befreundeten Charakteren in die Cyberia-Kampagne zu starten, doch da die sehr düster sein würde, ich aber gerade etwas leichteres brauchte, um wieder klarzukommen, änderte ich den Plan ab und schob die Underworld Legacy Kampagne ein.

Legacy und Visionen

Ursprünglich war geplant gewesen, daß Mia während dieser Kampagne die ganzen Informationen sammeln und dann den Aufenthaltsort von Trance’s Tochter Shanta herausfinden und das Mädchen befreien sollte. Da ich aber viel direktere Aufmunterung brauchte, als ein Langzeitkonzept, überlegte ich mir, wenn Trance ihre Tochter ja per Geistverbindung kurz vor ihrem Tod kontaktiert haben konnte, daß Shanta dann eine eigene Motivation haben würde, mehr über den Verbleib ihrer Mutter herauszufinden. Ich rechnete nach und kam zu dem Schluss, daß Shanta zu dem Zeitpunkt eigentlich bereits mindestens 14 Jahre alt war und somit als „Spielercharakter“ möglich war. Zudem war sie die Tochter von Trance und hatte somit deren Machtaffinität geerbt, was es ihr gestattete, ein paar zusätzliche Dinge zu können, um aus ihrem Gefängnis auszubüxen.

Also leitete ich einen Kampagnenauftakt für Mia und ließ ihr Shanta quasi direkt in den Schoß fallen. Gleichzeitig begann Mia dann auch, die ersten Visionen von Trance zu empfangen, die zuerst nur als Traumbilder von jemandem interpretiert wurden, der seine beste Freundin vermisst.

Doch die Visionen sollten weitergehen, und spätestens nach dem ersten Tod von Trance in einer Vision, samt Erschütterung der Macht, wurde klar, daß irgendetwas im Gange war und Trance vielleicht doch nicht ganz so tot war wie gedacht.

Dann kamen jedoch ein paar Wendungen und Spieleraktionen dazwischen, welche gleich im Anschluss an Underworld Legacy die nächste Kampagne, „Heir to the Dark Side“ bedingten. Also war Cyberia ein weiteres Jahr auf Eis gelegt.

Blame! – Der Film

Das stellte sich jedoch durchaus als Glücksgriff heraus, denn zu genau diesem Zeitpunkt brachte Netflix die DVD-Version eines Animes auf den Markt, den sie wenige Monate zuvor veröffentlicht hatten: Blame! Die Anime-Fassung wartete mit etwas weniger düsteren Charakterdesigns und dafür sehenswerten Effekten, sehr guten Sprechern (auch in der deutschen Synchronfassung) und einer Menge Action auf, so daß ich eine weitere visuelle Inspiration für die Kampagne bekam. Auch der Soundtrack war phänomenal, so daß ich ihn mir als Download kaufte, mit dem Ziel, die Andersartigkeit dieser Welt auch hörbar zu machen.

Dark Empire Chronicles

Somit hatte ich fast alle Dinge vorbereitet und brauchte nun lediglich noch einen glaubhaften Ansatz, um Mia und ihre Freunde auf die Suche nach Trance zu schicken. Dark Empire bot hier mit dem Überlaufen von Luke Skywalker zum Imperium den perfekten Aufhänger, um endlich eine Rettungsmission für Trance zu starten.

Der Planet Pallas Dea mit seinen Cyberware-vernarrten Bewohnern war bereits in der „Heir“-Kampagne platziert worden, um ein paar Hinweise zu liefern, daß beide Welten doch gewisse Verbindungen hatten, und konnte nun sein ganzes Potential als Geburtsstätte einer über alle Maßen vercyberten Welt ausspielen. Auch der Wächter, welcher nach der Dark Trooper Kampagne stark vernachlässigt worden war, durfte einen weiteren Auftritt bekommen.

Nichtlineare Zeitlinien

Dann kam noch eine ganz andere Schwierigkeit hinzu: Ich hatte zwar schon von Anfang an definiert, daß die Zeit in beiden Welten nicht parallel verlaufen würde. Es war jedoch ebenfalls die ganze Zeit  geplant gewesen, daß Mia und ihre Freunde nur wenige Wochen brauchen würden, während in der restlichen Galaxis jedoch Jahre ins Land ziehen sollten.

Um dies umzusetzen, hatte ich prinzipiell 2 Möglichkeiten: Entweder die Kampagne schnell abschließen und die normale Galaxis um 1-2 Jahre nach vorn drehen oder die Kampagne etwas hinauszögern und dafür die Ereignisse in Abwesenheit von Mia in „Echtzeit“ ausspielen.

Die ersten vier Abenteuer der Kampagne spielten wir recht zügig hintereinander, so daß es schon fast nach ersterer Methode aussah, doch dann kamen Covid und meine Erkrankung dazwischen, was zum einen zu einer höheren Frequenz an „normalen“ Abenteuern und zu einer Zurückstellung von Cyberia führte, da immerhin alle Spieler von Cyberia auch in der normalen Kampagne mitspielten.

Letzten Endes passte es so recht gut, daß wir die Zeitdifferenz integrieren konnten und alles seinen geplanten Weg lief.